Just in time - Der richtige Moment
„Sie kehren alle wieder hier her zurück.“ Ich hatte diesen Satz oft über Tarifa gehört, einer geschichtsträchtigen, kleinen Stadt an der Costa de la Luz. Die historische Altstadt hat durch ihre weiß getünchten Häuser, verwinkelten Gassen und coolen Cafés und Läden einen besonderen Charme. Am Punta de Tarifa stehend, dem südlichsten Punkt des europäischen Festlandes, liegt zur einen Seite das Mittelmeer und zur anderen der Atlantische Ozean. Nur 14 Kilometer Meerenge liegen zwischen den beiden Kontinenten Europa und Afrika. Wegen seiner besonderen Lage wird Tarifa auch als der nördlichste Ort Afrikas bezeichnet. Eines der Highlights ist der Ausblick über die Meerenge auf Marokko.
Surfer aus aller Welt kommen aufgrund der stetigen Winde aus dem Atlantik nach Tarifa. Den Ostwind, welcher von den Küsten Europas und Afrikas in die Meerenge von Gibraltar gedrückt wird, nennt man Levante. Das Gegenteil davon ist der Poniente, der Westwind, der vom Meer über das Land bläst. Trotz der nicht ganz einfachen Windbedingungen ist dieser Ort ein Hotspot für Wind- und Kitesurfer. Aber nicht nur Surfer, sondern auch viele digitale Nomaden und Aussteiger verleihen diesem Ort ein Hippie Feeling. Seit einigen Jahren ist Tarifa auch sehr beliebt bei jenen, die im Wohnmobil oder Van im Süden überwintern. In den Wintermonaten belagern Camper verschiedener Arten die Parkplätze an den Stränden und zahlreichen Straßen in der Stadt. Es scheint, dass es einer der wenigen Orte an der Küste ist, an denen es in den Wintermonaten noch geduldet ist, frei zu parken.
Nachdem ich mich entschlossen hatte, das „Glamping“ auf dem Campingplatz zu beenden und mich in meinem Van treiben zu lassen, landete ich ein paar Kilometer weiter auf der berühmt berüchtigten „Landebahn“ am Playa Los Lances. Jetzt begann ein völlig anderes, neues Lebensexperiment: Nur ich und mein Van. Alles, was früher auf der Parzelle des Campingplatzes stand, war nun wieder im Van verstaut, was zu einem kontinuierlichen Umbauen, Umklappen, Umstellen, Umstapeln und Umräumen führte. Die neue Trennkomposttoilette war im Einsatz und wo ich die nächste Dusche nehmen konnte, war ungewiß.
Ich wollte eigentlich nur ein paar Tage das Landebahnfeeling erleben. Doch durch das Treibenlassen wurde eine unbestimmte Zeit daraus. Es war durchaus machbar, tagelang mit einem 5-Liter Kanister Frischwasser auszukommen und eine Woche nicht zu duschen oder Haare zu waschen. Mein tägliches Wellnessprogramm bestand aus einem morgendlichen Bad im 16 Grad warmen Atlantik und dem anschließenden Trockenbürsten und Einölen meiner Haut. Es war auch kein Problem, zwei Wochen lang mit einer Shorts, einem T-Shirt, einer Jeans und Jogginghose und einem Sweater auszukommen. Der Sand in jeder Ritze meines Fahrzeugs und der mangelnde Luxus machte mir nichts aus. Ich bemerkte, wie ich täglich innerlich ruhiger wurde. Anfangs machte ich mir ständig Gedanken, ob ich noch genug Strom oder Wasser hatte. Doch allmählich erkannte ich, dass es keinen Sinn machte, darüber nachzudenken. Aufgrund ihrer großen Solarpanels hatten genug Fahrzeuge um mich herum ausreichend Strom, damit ich mein Laptop laden konnte und irgendjemand fuhr immer in die Stadt, der Wasser mitbrachte. Mein Lieblingsschreibplatz wurde das Café del Mar Beach direkt am Meer mit super freundlichem Personal und leckerem Essen. „It’s a good day to have a good day“ stand auf einem großen hölzernen Schild an der Wand. Hier konnte ich bei chilliger Musik und einem Cappuccino meine Inspirationen entspannt niederschreiben.
Ich habe meinen Strandplatz von einem der nördlichsten Orte Deutschlands zum südlichsten Punkt Europas verlagert. Von meinem Van aus hatte ich Ausblick auf die Dünen, das Meer und den gegenüberliegenden Kontinent. Die kleinen Spatzen, die ich mit meinen Krümeln fütterte, hüpften zwitschernd um meinen Van herum. Ich lauschte dem Rauschen der Wellen, meditierte im Sonnenschein oder beobachtete die tanzenden Kiteschirme am Himmel stundenlang. Ich hatte das Gefühl, dass Zeit und Raum zu einer einzigen Einheit verschmelzten. Die ersten Monate des Jahres 2024 waren von eisiger Kälte in Deutschland und von Aufständen, Demonstrationen und politischem Chaos in vielen Teilen Europas geprägt. Was auf der Welt passierte, bekam ich nur selten mit. Niemand interessierte sich hier dafür. Das Leben hatte mir einen Weg gezeigt und schien mich wie seit Beginn meiner Reise zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort geführt zu haben, wo ich Wärme, Frieden und Lebensfreude erleben durfte.
Jemand hatte auf einem großen Stein am Rande des Parkplatzes sein Leben bis 2023 begraben und mit einem Kreuz die Inschrift „2023 Normal Life“ darauf verewigt. Ich betrachtete den Stein lange und fragte mich: Was bedeutet ein „normales“ Leben? Wer bestimmt, was „normal“ ist? Steht „normal“ in Verbindung mit „Bewusstheit?“ Ich dachte lange darüber nach. Hatte ich mein alltägliches Leben bereits aufgegeben? Möchte ich ein normales Leben wieder aufnehmen? Wie steht es um meine Bewusstheit?
Ich hatte Ideen und Visionen, wie und wo mein Leben weiter gehen konnte, aber mir fehlte ein konkretes Bild, um sie zu realisieren. Ohne ein klares Bild, worauf ich meinen Fokus richten konnte, war das nicht möglich. „Vielleicht ist es noch nicht der richtige Zeitpunkt, dich irgendwo niederzulassen“, sagte jemand zu mir. Dieser Satz inspirierte mich, meine Situation aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Und zum ersten Mal, seit ich dieses Lebensexperiment gestartet habe, hatte ich plötzlich das Gefühl, mir selbst genug zu sein. Mein Mini Van und ich, mit den wenigen Dingen, die ich dabei hatte und dem einfachen Leben ohne jeglichen Komfort. Alles, was geschieht und jede Begegnung ist ein Geschenk des Lebens an uns selbst, weil es ermöglicht, in unserer Bewusstheit zu wachsen.
Anstatt mich darüber zu ärgern, dass meine Powerbank leer war und die Sonne nicht schien und der Frage: „Warum scheint ausgerechnet heute, wenn ich keinen Strom mehr habe, die Sonne nicht?“ konnte ich meine Gedanken wandeln: „Heute scheint mal keine Sonne. Es ein guter Tag, einen guten Tag daraus zu machen!“
Ich würde wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, weiterzuziehen. Das Leben weiß es sowieso immer besser. Und vielleicht würde auch ich eines Tages hierher zurückkehren.
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„Der richtige Moment lässt viele Dinge im Leben ganz einfach erscheinen.“
Lebe DEIN Leben!
Ich bin leidenschaftliche Impulsgeberin für GesundSEIN, Coach, Trainerin, Buchautorin und stolze Mutter von 3 Söhnen. Im Jahr 2022 begann ich das Selbstexperiment des Vanlife, Tinyliving und Minimalismus. Ich liebe es, aus Herzensverbindungen Projekte entstehen zu lassen, die dem Menschen dienen.
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